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Kritiken zum Film:

TATORT - Wunschdenken



Hintergrund

2011-02-13: Tages Anzeiger Zürich

Ursprünglich sollte die Erstausstrahlung im Frühjahr 2011 erfolgen, wegen qualitativer Mängel wurde der Film aber vom SF zurückgezogen und nochmals überarbeitet.

2011-08-07: 20min.ch

Im Zuge der Debatte um die Begründung der Rücknahme wegen qualitativer Mängel wurde dem SF vorgeworfen, die Sendung tatsächlich wegen politisch brisanter Anspielungen auf die Schweizer Volkspartei (SVP) zurückgezogen zu haben.

2011-08-12: Spiegel-online

von Christian Buss:
Neuer "Tatort" aus Luzern
Wer hat's vergurkt? Die Schweizer!
Fehlbesetzungen, gestrichene Zitate, wütende Macher: Der wahre Krimi fand beim ersten Schweizer "Tatort" seit fast zehn Jahren nicht vor der Kamera statt, sondern hinter den Kulissen. Christian Buß begrüßt die erste Folge aus Luzern nicht sehr hoffnungsfroh: Grüezi, Tristesse!
In Konstanz ist er nie so recht zum Zuge gekommen: Da durfte Reto Flückiger (Stefan Gubser), der wind- und wettergegerbte Ermittler von der Thurgauer Seepolizei, zwar zuweilen beim Rotwein der deutschen Kollegin Klara Blum (Eva Mattes) tief in die Augen schauen, doch stieg er dann stets noch am selben Abend auf sein Boot und fuhr zurück auf die Schweizer Seite des Bodensees. Und mit ihm schipperte die Hoffnung, die deutsche Kommissarin möge ihn doch bald wieder rufen. Flückiger, das war bislang ein Berater und Gesellschafter auf Abruf, eine Art Escort-Kraft unter den deutschsprachigen Ermittlern.
Nun bekommt die Krimi-Figur, die beim leicht lustfeindlichen SWR-"Tatort" aus Konstanz als Schweizer Sidekick für die bundesdeutsche Beamtin entwickelt wurde, seinen großen Auftritt. Sowohl kriminalistisch als auch erotisch.
Nach fast zehn Jahren "Tatort"-Abstinenz hat das Schweizer Fernsehen in Kooperation mit dem SWR um Flückiger herum ein neues Fernsehrevier aufgebaut. Von Luzern aus soll er zukünftig ermitteln; wie viele Folgen es pro Jahr gibt und ob die Schweiz überhaupt wieder für regelmäßige Episoden in den "Tatort"-Verbund aufgenommen wird, hängt auch von der Resonanz auf die an diesem Wochenende ausgestrahlte erste Episode ab. Eine zweite Folge mit dem Titel "Skalpell" ist aber schon fertig produziert.
Trotz der gediegenen Kulisse von Luzern soll es durchaus ein wenig knistern und krachen in dem neuen Schweizer "Tatort". Weil man in Sachen Knistern und Krachen aber offensichtlich den einheimischen Charakteren und Darstellern nicht viel zutraute, stellte man dem ehemaligen Wasserschutzpolizisten in der ersten Folge eine exotische Kollegin zu Seite: Abby Lanning, Austauschpolizistin aus Luzerns Partnerstadt Chicago. Gespielt wird die von der griechisch-italienischen, zeitweise in Zürich aufgewachsenen Sofia Milos, die als Detective Yelina Salas in der US-Serie "CSI: Miami" eine gute Figur macht, aber in Luzern einfach nur wie ein Alien wirkt. Im nächsten "Tatort" ist sie glücklicherweise schon nicht mehr dabei.
Egal ob Abby Lanning mit dem Kollegen ins Bett steigt oder eine schaurig zugerichtete Leiche inspiziert, stets lächelt sie versonnen in sich hinein, als würde sie gerade ein Stück besonders köstlicher Schweizer Schokolade lutschen.
Wasserschutzpolizist auf dem Trockenen
Gemeinsam rutschen die Luzern-Neulinge Flückiger und Lanning in der "Tatort"-Episode "Wunschdenken" in einen Fall, der sie in die Kommunalpolitik der Stadt führt. Aus der Reuss fischt man die Leiche eines Kleinverbrechers, ein örtlicher Politiker wurde entführt, ein rechtspopulistischer Griesgram hat Gegner ausspionieren lassen. So die kriminalistische Gemengelage (Buch: Nils-Morten Osburg) - aus der im Laufe des Films leider so gut wie keine Spannung erwächst. Sämtliche Figuren bleiben unscharf, zudem agieren sie zuweilen wie Schlafwandler, die Anspielungen auf den realen Polit-Betrieb bleiben im Ungefähren.
Der wahre Krimi fand auch weniger vor der Kamera als hinter den Kulissen statt: Als der Schweizer Wiedereinstiegs-"Tatort" Anfang des Jahres zur Abnahme fertiggestellt worden war, wurde er umgehend von der damals neuen Kulturchefin im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), Nathalie Wappler, moniert; erstaunlicherweise machte sie ihrem Unmut sogar gezielt öffentlich Luft. Der Film müsse neu geschnitten, neu synchronisiert, teilweise nachgedreht werden. Die Ausstrahlung verschob man vom geplanten Frühjahrstermin auf die Zeit nach der Sommerpause.
"Wunschdenken"-Regisseur Markus Imboden, der nicht erst seit der Grimme-Preis-gekrönten ZDF-Produktion "Mörder auf Amrum" zu den besten der deutschsprachigen Krimi-Machern zählt, zeigte sich ungewöhnlich kooperationsbereit gegenüber dem SRF, versäumte es aber nicht, gleich auch noch mal ordentlich Dampf abzulassen. Die Hauptdarstellerin Milos, verkündete der Deutschschweizer, sei eine echte Fehlbesetzung. Der waren von Schweizer Kollegenseite sowieso nicht eben die Sympathien zugeflogen, weil sie bekennende Scientologin ist.
Angst vor den Rechtspopulisten?
Und was wurde nun genau "nachgearbeitet" am "Tatort"? Glaubt man der "Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag", der die beanstandete Ur-Version von "Wunschdenken" vorliegt, haben die Verantwortlichen ein ganz kleines bisschen die Pettingszenen zwischen den Ermittlern entschärft - vor allem aber die konkreten politischen Verweise aus der Handlung getilgt. Während der rechtspopulistische Politiker in der unautorisierten Version laut "NZZ am Sonntag" ganz klar Vokabular und Argumentation der Schweizerischen Volkspartei (SVP) nachahme, bleibe man in der Sendefassung im Vagen. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE weist SRF-Sprecher Martin Reichlin die Vorwürfe, man habe jeglichen konkreten Bezug zur SVP entfernen wollen, "als haltlos" zurück. "Richtig ist, dass SRF grundsätzlich die klischierte Darstellung von Politikern aller Lager vermeidet."
Ein ungutes Gefühl bleibt trotzdem zurück: Will es sich das Schweizer Fernsehen durch diese "unklischierte Darstellung" bewusst nicht mit der mächtigen Rechtspartei verderben - oder ist man besorgt um die Außenwirkung der Schweiz in den Nachbarländern Österreich und Deutschland? Beides wäre eine Kapitulationserklärung des SRF. Feigheit und Unverbindlichkeit sind nun wirklich die schlechtesten Zutaten für einen "Tatort".
Als sich Flückiger und seine US-Kollegin Lanning vor ihrem Schäferstündchen zufällig in einer Hotelbar treffen, raunt sie in Anspielung auf Sofia Coppolas Durchreisenden-Liebelei etwas von "Lost in Translation". Vielleicht ist ja gerade dieses "Verlorensein", dieses Durcheinander von Ambitionen, Idiomen und Ideen, die eigentliche Ursache für das Misslingen des Krimis.
Den Start in den "Tatort"-Verbund haben die Schweizer so oder so vermasselt. Grüezi, Tristesse!

2011-08-14: tittelbach.tv

von Rainer Tittelbach:
Dieser "Tatort" ist auch nachgebessert schwach. "Wunschdenken" wurde zunächst nicht abgenommen. Beanstandet wurden neben einer Sex-Szene die vielen Klischees und der US- Gast-Star Sofia Milos („C.S.I. Miami“). Die Sex-Szene ließ sich fast vollständig wegschneiden. Die Präsenz der Fehlbesetzung minimieren. Das Drehbuch aber ließ sich nicht schön schneiden. Die Handlung dieses überkonstruierten Krimis verzettelt sich im Kleinklein. Ein "Tatort" wie aus grauer Vorzeit. Schwacher Trost: Stefan Gubser ist ein guter Typ!
Dieser Artikel stammt von http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-1545.html

2011-08-14: Stern

von Carsten Heidböhmer:
Premiere mit Timing-Problemen
Mit reichlich Verspätung kam der neue Schweizer "Tatort" in die ARD. Und siehe da: Sofia Milos ist so schlecht wie befürchtet, die Inszenierung schwankt zwischen Action und Behäbigkeit.
Mit vier Monaten Verspätung hat die ARD "Wunschdenken" ausgestrahlt, die erste Folge des neuen Schweizer "Tatorts". Grund für die Verzögerung waren Zweifel an der Qualität des Films. Nathalie Wappler, Kulturchefin des Schweizer Fernsehens, hatte unter anderem bemängelt, die Folge enthalte Klischees und lasse lokale Atmosphäre vermissen. Nun beendete der überarbeitete Film die "Tatort"-Sommerpause.
Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der neue Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) seinen Dienst in Luzern verfrüht antritt. Das Timing stimmt einfach nicht. Bis vor Kurzem arbeitete Flückiger noch für die Seepolizei in Thurgau, in dieser Funktion hatte er einige Auftritte im Bodensee-"Tatort" an der Seite von Eva Mattes. Jetzt hat sich der Kommissar zur Luzerner Polizei versetzen lassen, wo er demnächst die Leitung der Fachgruppe "Leib und Leben" übernimmt. Vorher möchte er aber noch einen Segelurlaub am Vierwaldstättersee verbringen.
Arbeit statt Urlaub
Er will sich nur schnell bei seinem neuen Chef vorstellen und dann weiterreisen, doch da ahnt der Zuschauer bereits: Mit dem Urlaub wird's wohl nichts. Denn natürlich gibt es schon eine Leiche, die sich der Neue mal schnell anschauen soll. Und dann wird auch noch der Spitzenkandidat einer rechtspopulistischen Partei entführt. Flückiger soll die Lösegeld-Übergabe koordinieren.
Das ist durchaus spannend gemacht, wie die arme Ehefrau mit dem Geldkoffer am Bahnhof auf den Entführer wartet. Dank furioser Schnitte und Perspektivwechsel entsteht große Dramatik, auch wenn gar nichts passiert. In solchen Szenen hat der neue Schweizer "Tatort" durchaus internationales Format.
Abgeschmackte Bettszene
Doch leider gibt es Momente, in denen Tempo und Niveau massiv abfallen. Richtig überflüssig ist die Affäre zwischen Flückiger und seiner amerikanischen Kollegin Abby Lanning (Sofia Milos, bekannt aus "CSI: Miami"). Zwar will zwischen den beiden einfach kein Funke überspringen - doch das Drehbuch (Nils-Morten Osburg, Regie: Markus Imboden) zwingt sie zu einer abgeschmackten Bettszene. Die bereits im Vorfeld gescholtene Sofia Milos wirkt tatsächlich wie ein Fremdkörper in diesem Film: Die US-Schauspielerin sieht aus wie viele ihrer Hollywood-Kolleginnen, die sich ihre Lippen aufspritzen und die Nase schlank schnippeln lassen, um ein 08/15-Gesicht zu bekommen.
Das ist schade, denn der "Tatort" gewinnt zunehmend an Fahrt. Schon bald stoßen die Ermittler darauf, dass beide Fälle zusammenhängen: Der Tote aus dem See hat mehrfach in dem Gefängnis eingesessen, das der entführte Politiker geleitet hat. Und so weitet sich der Kreis der Verdächtigen schnell aus. Bis zu der überraschenden Auflösung, in der sich die Ehefrau des Politikers als Täterin entpuppt, schlägt die Geschichte so manchen Haken.
Insgesamt hinterlässt der erste Fall einen zwiespältigen Eindruck: Der Film besticht durch tolle Schauplätze, hinreißende Landschaftsaufnahmen und kühle Architektur. Er ist rasant und bietet Action wie in einem Hollywood-Film, auf der anderen Seite sind die Dialoge oft behäbig, immer geht Tempo verloren. Vielleicht ist das alles typisch Schweiz: Die Uhren ticken in der Alpenrepublik nicht langsamer, aber einfach anders.

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