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Kritiken zum Film:

ERZGEBIRGSKRIMI - Mord auf dem Jakobsweg



2024-11-02: tittelbach.tv

von Tilmann P. Gangloff:
Ähnlich wie in Thomas Kirchners „Spreewaldkrimis“ erzählt Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard im geschickt konzipierten zehnten „Erzgebirgskrimi“ (ZDF / NFP) mit Hilfe von Rückblenden Stück für Stück, wie und warum ein Pilger getötet worden ist. „Mord auf dem Jakobsweg“ ist die erste Arbeit von Regisseur Markus Imboden für die Reihe. Seine Inszenierung ist ruhig und sachlich; der Film lebt daher in erster Linie von der klassischen Krimifrage „Wer war’s?“. Sehr präsent ist allerdings die vorzügliche Musik von Mario Lauer, der mit einem einprägsamen Leitmotiv die Spannung forciert.

Na toll, wird sich Wanja Mues womöglich gedacht haben, als ihm diese Rolle im zehnten „Erzgebirgskrimi“ angeboten wurde: Wenn die Geschichte beginnt, ist der Pilger, den er verkörpert, praktisch schon tot. Mit den Gedanken, die Matthias Langer in Form grobkörniger und entfärbter Bilder durch den Kopf gehen, während er energischen Schritts über den Jakobsweg stapft, stellt der Film gleich zu Anfang die Verdächtigen vor, denn kurz darauf entdecken zwei Frauen die Leiche des Sägewerkbetreibers: Er hängt tot unter einer Brücke. Dem ersten Anschein nach hat er sich das Leben genommen, aber kurz zuvor ist er niedergeschlagen worden.

Unter anderen Umständen würde der Handlungskern von „Mord auf dem Jakobsweg“ gerade mal für eine Vorabendepisode reichen, doch Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard (Buch) hat die Geschichte in ein Konzept gebettet, das ein bisschen an die ZDF-„Spreewaldkrimis“ erinnert: Mindestens so wichtig wie die Ermittlungen von Robert Winkler (Kai Scheve) und Lara Szabo (Lara Mandoki) von der Kripo Chemnitz sind die Rückblenden, die jedes Mal ein bisschen mehr darüber erzählen, was sich vor Langers Tod zugetragen hat. Dabei gelingt Pomorin, der bislang fast alle „Erzgebirgskrimis“ geschrieben hat, das Kunststück, ausnahmslos alle Beteiligten stets ein bisschen verdächtiger wirken zu lassen. Gleichzeitig bleibt jedoch offen, wes Geistes Kind Langer war: natürlich das Opfer; aber auch ein Täter?

Dass das Konstrukt so gut funktioniert, hat nicht zuletzt mit dem Ensemble zu tun. Im Unterschied zu sonstigen Reihenkrimis, in denen die Ablenkungsmanöver früh als solche zu erkennen sind, bleibt hier tatsächlich bis zum Schluss offen, wer den Wanderer auf dem Gewissen hat. Pomorin bietet vier Personen an, die allesamt ein schlüssiges Motiv hätten, wie die Rückblenden allerdings erst später verdeutlichen, denn zunächst zeigen die Bilder bloß ihren Zorn. Das gilt vor allem für Benedict Wagner (Max Herbrechter). Der Mann ist voller Hass („Alles in mir schreit nach Rache!“). Seinen Reiz bezieht der Film fortan nicht zuletzt aus der Frage, in welchem Bezug er zu Langer steht und woher seine Wut rührt.

Bei den weiteren Figuren wird die Beziehung früher klar. Mit Ehefrau Maike (Cornelia Gröschel) hatte Langer eine heftige Auseinandersetzung. Sein Partner im Sägewerk, Siepmann (Thomas Schmauser), wollte ihn zu einem Geschäft überreden („Fressen oder gefressen werden!“), von dem Langer nicht überzeugt war. Und dann ist da noch Felix Uhlich (Hans-Uwe Bauer), ebenfalls Sägewerksbesitzer und einst Langers väterlicher Freund, der sich nun von ihm verraten und verkauft fühlt. Wagner, Uhlich und Maike waren zur Tatzeit ebenfalls auf dem Jakobsweg unterwegs. Der Rest ist Krimi: Nach und nach schließen Winkler und Szabo durch Überprüfung der Alibis aus, wer Langer ermordet haben könnte.

Regie führt Markus Imboden, „Mord auf dem Jakobsweg“ ist die erste Arbeit des zweifachen Grimme-Preisträgers aus der Schweiz. Seine Inszenierung ist ruhig und sachlich; der Film lebt daher in erster Linie von der klassischen Krimifrage „Wer war’s?“. Sehr präsent ist allerdings die vorzügliche Musik von Mario Lauer, der mit einem einprägsamen Leitmotiv die Spannung forciert. Selbstredend setzt Pomorin auch die inoffizielle Romanze zwischen dem Kommissar und der Försterin fort: Saskia Bergelt (Teresa Weißbach) kommt nicht damit klar, dass Winkler konsequent zwischen Beruf und Privatleben trennen will und in einen sehr förmlichen Dienstmodus schaltet, wenn er sie und ihren Spürhund in die Ermittlungen miteinbezieht.

Sehenswert ist neben Schauplätzen wie etwa dem imposanten Hetzdorfer Viadukt auch das ästhetische Konzept: Imboden und Kameramann Conrad Lobst haben den herbstlichen Film mit satten Grün- und Brauntönen versehen. Das gilt nicht nur für die vielen Außenaufnahmen der abgeernteten Äcker sowie die vielen Waldbilder, sondern auch für Kostüm und Ausstattung. Diese Bildgestaltung lässt den „Erzgebirgskrimi“ sympathisch bodenständig wirken. Dazu passt eine bewegende Schlüsselszene, in der Langer einen Brief an seinen Vater vorliest. Der Moment war Imboden so wichtig, dass er ihn als einzige Rückblende nicht optisch verfremdet hat.

Dieser Artikel stammt von https://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6690.html

2024-11-02: film-rezensionen.de

von Oliver Armknecht:
Eigentlich wollte der Sägewerksbesitzer Matthias Langer (Wanja Mues) auf dem Sächsischen Jakobsweg wandern, um den Kopf freizubekommen und sich über verschiedene Punkte klarzuwerden. Umso größer ist der Schock, als er erhängt aufgefunden wird. Was zunächst nach Selbstmord aussieht, stellt sich bald als Mord heraus. Doch wer könnte es auf ihn abgesehen haben? Kommissar Robert Winkler (Kai Scheve) und seine Kollegin Karina Szabo (Lara Mandoki) versuchen dies herauszufinden. Dabei nehmen sie besonders Langers Frau Maike (Cornelia Gröschel), seinen Freund Felix Uhlich (Hans-Uwe Bauer) und Benedict Wagner (Max Herbrechter) unter die Lupe, die ebenfalls auf dem Jakobsweg unterwegs waren. Oder könnte Peter Siepmann (Thomas Schmauser) etwas damit zu tun haben, mit dem der Tote das Sägewerk betrieb?

Ein Krimi ohne Identität
Die Schwankungen beim Erzgebirgskrimi sind teilweise schon enorm. Nachdem es eine Zeit lang fantastisch lief im Hinblick auf die Zuschauerzahlen, sackten diese 2022 um mehrere Millionen ab. Die letzten Filme berappelten sich aber, man erreichte mit den letzten beiden Werken wieder 6,5 bis 7 Millionen Menschen. Qualitativ halten sich die Schwankungen eher in Grenzen, da bewegt man sich überwiegend im mäßigen bis mittelmäßigen Bereich. Beim neuen Teil Mord auf dem Jakobsweg sieht es nicht anders aus. Der zehnte Film der 2019 gestarteten Reihe ist ein weiterer deutscher Fernsehkrimi, der brav seine Pflicht erfüllt, dabei aber nie den Eindruck erweckt, dass da jemand wirklich Lust hatte, eine spannende Geschichte zu erzählen.
Natürlich ist da das Setting, welches immer wieder einen Blick wert ist. Von Anfang an vertraute die Reihe darauf, dass die abgelegene Waldgegend viel Stimmung erzeugt und das Publikum an die Fernseher fesselt. In Maßen funktioniert das schon, als Hauptargument aber weniger. Dafür gibt es einfach zu viele Krimis, die in solchen Settings spielen: Neben nordischen Küsten sind Waldbergschauplätze geradezu inflationär in den letzten Jahren genutzt worden. Eine Zeit lang versuchte man beim ZDF, durch lokale, vielleicht auch folkloristische Elemente für Alleinstellungsmerkmale zu sorgen. Das wurde mit der Zeit aber weniger, bei Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg muss man praktisch völlig darauf verzichten. Ein vereinzeltes „Glück auf“ reicht da nicht. Aus dem Motiv der Pilgerreise wurde auch nichts gemacht, ein paar wenige Sätze zu Religion, mehr war da nicht drin.

Langweilig bis zum Ende
Natürlich muss eine Krimireihe keine Besonderheiten haben, auch wenn das hilfreich ist, um sich in der Flut an Genrebeiträgen im deutschen Fernsehen zu unterscheiden. Ebenso wichtig ist, dass der Krimi an sich überzeugt. Aber auch in der Hinsicht findet sich hier nichts, was einen zum Einschalten bewegen müsste. Der erfahrene Drehbuchautor Leo P. Ard (Ein starkes Team: Verzockt) spult nur das übliche Programm ab, wenn nach dem Mord der oder die Verantwortliche gefunden werden muss und es eine Mischung aus privaten sowie beruflichen Motiven im Angebot gibt. Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg ist da völlig austauschbar, auch bei der Auflösung wird nur 08/15-Stangenware angeboten. Man versuchte nicht einmal, sich eine interessante Geschichte auszudenken.
Das muss einen nicht unbedingt stören. Wo es in der Reihe auch Folgen gab, die einen wirklichen Anlass zu Ärger boten, fehlt das hier. Sicher, der Inhalt ist ziemlich konstruiert, aber das ist in dem Genre keine Seltenheit. Schlimmer ist, wie langweilig das Ergebnis ist. Zu keiner Zeit kommt Spannung auf, ist etwas Cleveres oder Überraschendes zu finden. Selbst die Figuren sind so frei von Persönlichkeit, dass man auch Schaufensterpuppen hinstellen könnte. Ein bisschen versucht Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg dann zwar, zumindest auf der emotionalen Ebene das Publikum abzuholen, wenn es um traurige Familiengeschichten geht. Aber selbst das bleibt ohne Wirkung, nicht zuletzt weil die aufdringliche Musik jeden Anflug von Natürlichkeit unter sich begräbt und man nie den Eindruck hat, es mit realen Menschen zu tun zu haben.

Fazit
„Erzgebirgskrimi: Mord auf dem Jakobsweg“ bedeutet für einen Sägewerksbesitzer in der Sinnkrise den Tod, als er bei einer Pilgerwanderung erhängt aufgefunden wird. Dabei gibt es wieder idyllische Landschaften. Ansonsten ist der Krimi aber durchgängig langweilig: Fall, Figuren und Handlung sind frei von eigenen Einfällen, Spannung kommt zu keiner Zeit auf. Selbst die emotionale Komponente bleibt ohne Wirkung.


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